Aussetzung der Ungläubigkeit

Theater_Putbus5Im Theater und im Kino geben wir mit unserem Mantel in der Regel auch gleich unseren Realitätssinn an der Garderobe ab. Auch bei vielen Fernsehprogrammen muss unsere Verankerung im Hier und Jetzt für eine Weile vor der Tür bleiben – andernfalls nehmen wir uns schlicht und einfach den (Kunst)Genuss beim Zuschauen.

Einlassen auf die Fiktion
Theater ist eine Form der Kunst und als Übersetzerin für Texte im Bereich Kunst hatte ich es kürzlich mit einer Art Cross-Over von Film und Theater zu tun. Ein Begriff faszinierte mich besonders, weil er eigentlich eine Banalität beschreibt, aber doch etwas ganz Wesentliches formuliert, das den Kunstgenuss im Theater, im Kino, vor dem Fernseher oder auch beim Lesen eines Buches erst möglich macht. Suspension of disbelief – die Aussetzung der Ungläubigkeit – nannte der englische Philosoph und Dichter der Romantik Samuel Taylor Coleridge (1772-1834) diese Grundvoraussetzung für das bewusste sich Einlassen auf ein künstlerisches Werk seitens des Zuschauers.

Bereitschaft des Zuschauers
Die Aussetzung der Ungläubigkeit braucht zum einen die Bereitschaft des Lesers beziehungsweise Zuschauers, Unrealistisches zu akzeptieren, wie etwa bei Science-Fiction-Geschichten die Möglichkeit von intelligentem Leben auf nahegelegenen Planeten. Für den Autor bedeutet das aber auch, eine so spannende, überzeugende oder fesselnde Geschichte zu präsentieren, dass der Leser oder Zuschauer bereit ist, ihm in seine Welt zu folgen und alles zu „glauben“.

Auch wenn es einige Kritik an der Theorie der Aussetzung der Ungläubigkeit gibt, mich hat sie überzeugt. Und ich achte jetzt auch immer wieder darauf, wann ich bereit bin, meine Ungläubigkeit auszusetzen, und wo mein gesunder Menschenverstand sagt, „das glaube ich jetzt aber doch nicht“.

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