Maschinelle Übersetzung – Vision oder Wirklichkeit?

Mein Abschluss als Übersetzerin liegt nun schon eine ganze Weile zurück, aber bereits in meiner Studienzeit ging es um die Frage, inwieweit die maschinelle Übersetzung den Menschen als Übersetzer eines Tages arbeitslos machen wird. Und sogar schon 1954 verkündeten findige Informatiker, dass innerhalb von fünf Jahren der Computer die wesentlichen Übersetzungsarbeiten, in diesem Fall russisch – englisch (es war ja der Beginn des Kalten Krieges) – übernehmen könne. Immer wieder jedoch gerieten diese Entwicklungen ins Stocken, und das gab der Übersetzerzunft die Gewissheit, dass es noch lange dauern würde, bis eine Maschine tatsächlich in der Lage sein sollte, Übersetzungen anzufertigen.

Doch nun sieht es tatsächlich so aus, als könnte die Vision Wirklichkeit werden. Die Kapazität der Rechner nimmt beständig zu, und durch die Kombination von Translation Memory Systemen sowie Terminologieverwaltungssystemen können durchaus einigermaßen befriedigenden Ergebnisse erzielt werden. Diese werden mittlerweile häufig als ausreichend empfunden, sind sie doch in erster Linie schnell und häufig auch kostenlos verfügbar.

Auf den Zweck kommt es an
Es ist eine Entwicklung, die den Beruf des Übersetzers in den nächsten Jahren sicherlich verändern wird bzw. neue Berufsfelder hinzufügen wird. Viele Redner auf dem FIT XIX World Congress in San Francisco, an dem ich vor kurzem teilnahm, behandelten daher auch dieses Thema in ihren Vorträgen, und der Tenor war einheitlich. Eine große Menge an Texten wird zukünftig sicherlich maschinell übersetzt werden. Dabei kommt es nicht so sehr auf die Qualität an, man möchte ja oft nur grob wissen, was in dem Text steht, mangelhafte Formulierungen oder gar Fehler werden zugunsten der Geschwindigkeit und der, wenn überhaupt, geringen Kosten in Kauf genommen. Anspruchsvolle Texte werden dagegen nach wie vor den Menschen als Übersetzer brauchen beziehungsweise müssen von einem Post-Editor, der sein Handwerk versteht, nachbearbeitet werden. Die beständig zunehmende Fülle an Informationen, die in den unterschiedlichsten Sprachen vorliegen, aber von allen zumindest ansatzweise verstanden werden will, zwingt zu einer Abkehr vom traditionellen Übersetzerverständnis. Wer nur grob wissen möchte, was in einem Text steht, kann sich mit einer Schnellübersetzung zufriedengeben. Wer aber die Übersetzung eines Vertrags, der Rechtssicherheit geben soll, oder einer Publikation, von der das Image des Unternehmens abhängt, benötigt, wird auch weiterhin auf einen Menschen als Übersetzer zurückgreifen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Sprache abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentare sind geschlossen.